„Wo gehsse?“ – „Inne Stadt!“

Bochum hat 27 Stadtteile. Hören Sie dort den Wortwechsel: „Wo gehsse?“ – „Inne Stadt!“, sprechen die Bochumerinnen und Bochumer über die Stadtmitte, das historische Zentrum Bochums.

In Bochum – und im gesamten Ruhrgebiet – gibt es eine Sprache, die Teil des Wesens und der Geschichte dieser Region ist. Sie hält die Erinnerung an den vergangenen Bergbau wach („Vor Ort“), nimmt neue kulturelle Einflüsse auf und gibt sie weiter. Sie war über Jahrzehnte eine „Unsprache“. Dass sie heute nicht mehr als Slang, sondern als Dialekt gilt, verdanken wir Adolf Tegtmeier, Kumpel Anton, Dr. Stratmann und Herbert Knebel. Alle haben Bochumer Erfahrungen. Dazu gehört auch „unser“ Herbert Grönemeyer, der in seinem Hit der Stadt „Bochum“ bundesweit Seele und Ausdruck verlieh.

Die Geschichte Bochums begann ähnlich wie die vieler anderer westfälischer Städte. Vor 860 wurde Bochum an einer Kreuzung zweier Handelsstraßen gegründet, gehörte zu den vielen winzigen westfälischen Hansestädtchen des 15./16. Jahrhunderts, brannte 1517 und 1581 fast ganz nieder und hatte es bis ins 19. Jahrhundert immerhin zu einer einflussreichen Verwaltungsstadt gebracht. In der kleinen Stadt lebten geruhsam 4.000 Einwohner, die 1790 so beschrieben wurden:
„Die einfache Lebensordnung, welche durchgehend hier geführt wird, ist neben der gesunden Luft von dem meist hohen Alter der Einwohner die Hauptursache. Der größte Haufe nährt sich fast blos von Brod, Milch, Butter und Gemüse; selten wird von dem gemeinen Mann Fleisch gegessen, noch seltener schmeckt er Fische. Gewürze fallen fast ganz weg. Der Kaffee wird zwar häufig gebraucht, ist aber sehr dünne und macht bei einem Stück Brod oft die Mittagsmahlzeit aus. Der Hausvater raucht wol zu Zeiten seine Pfeife köllnischen Taback, und wenn er bey Vermögenden in Arbeit ist, nimmt er auch mit einem Glas Fusel und einer Kanne Bier vorlieb; er isset zu dieser Zeit auch besser, bekommt Speck oder Fleisch und Pfannkuchen, und ist dann vergnügt wie ein Fürst.“ (Carl A. Kortum)

Dieses Leben änderte sich durch die „Standortgunst“ Bochums ab 1840 entscheidend. Die anscheinend unbegrenzten Kohlevorräte unter dem Ruhrgebiet brachten Bergbau und Stahlindustrie auch nach Bochum, das um 1929 mit 74 Schachtanlagen Europas grubenreichste Gegend war. Doch gegen das preiswertere Öl hatte die Kohle keine Chance und 1973 wurde die letzte Schachtanlage Bochums stillgelegt.

Ab 1960 schwand das alltägliche Bild in Bochum, wo tausende Bergmänner zum Schichtwechsel in die benachbarte Zeche radelten. Zunächst störten gecharterte Reisebussen mit Pendlerströme zu anderen Zechen die vertraute Szenerie. 1960 war die Zahl der Bochumer Auspendler auf 18.000 angewachsen. Nur wer mobil und unabhängig wurde, besaß Chancen, mit der neuen Epoche Schritt zu halten. Nur mit dem Auto ging es weiter.

Um 1963 war Bochum aber mit Opel, dem Fernsehwerk Graetz, den ersten deutschen Einkaufszentren „Ratio“ und „Ruhr-Park“ sowie der Ruhr-Universität ein herausragendes Beispiel für einen krisenbedingten Modernisierungsschub und für eine erfolgreiche Neustrukturierung. Heute gehören acht Hochschulen/Universitäten, die Knappschaft-Bahn-See, Thyssen-Krupp-Stahl, Vonovia und ein großer Gesundheitssektor zu den vielen prominenten Arbeitgebern in Bochum. Über 360.000 Einwohner leben hier.

Kurz nach 1324 wird die Verwaltung der neu ernannten Stadt Bochum wohl erstmals ein Rathaus benötigt haben, eine von den Bürgern gewählte Stadtvertretung regierte aber erst ab 1842 in Bochum. Dank des preußischen Drei-Klassen-Wahlrechts blieben die konservativen Kräfte im so genannten „Magistrat“ lange unter sich, denn wer hohe Steuern zahlte, durfte in der ersten und zweiten Wählerklasse 2/3 der Magistratsmitglieder bestimmen. Die große Mehrheit der Bochumer waren aber Lohnempfänger ohne große Steuerleistungen. Die Anläufe der Sozialdemokraten in den Jahren 1908, 1910 und 1912, in dieser Arbeiterstadt Sitze zu erobern, scheiterten. In der Weimarer Republik blieb das Zentrum stärkste Partei in Bochum (38%-21%), es folgen die SPD (35%-13%) und die KPD (24%-10%). Als am 5. und 12. März 1933 die letzten freien Wahlen stattfanden, erhielt die NSDAP 40% für die Stadtvertretung und 44% für den Reichstag. Am 13.10.1946 wurden nach 13 Jahren wieder demokratische Wahlen zur Stadtvertretung abgehalten, Bochum startete mit 25 SPD-, 18 CDU-, 2 KPD Stimmen in die neue Republik. Die SPD ist bis in die Gegenwart größte Fraktion geblieben.

Von den Menschen in Bochum behaupten Besucher nicht selten, sie seien freundlich und offen. Wenn das stimmt, liegt das sicherlich auch daran, dass seit 150 Jahren immer neue und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen nach Bochum zugezogen sind. Auf der Suche nach Arbeit in der Montanindustrie kamen und blieben Hessen, Bayern, Schlesier, Polen, Italiener, Türken, Russen und viele andere Nationen. Früher oder später schlossen die meisten Alt- und Neubochumer miteinander Freundschaft. Der ständig erweiterte kulturelle Hintergrund hat wohl auch zu einer größeren Toleranz des einzelnen Bochumers geführt. Man darf sich das Miteinander der eingesessenen und zugewanderten Bürger natürlich nicht von Anfang an als problemlos und harmonisch vorstellen. Gegen Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz scheinen sich aber in Bochum und im Ruhrgebiet schneller als an vielen anderen Orten Initiativen zu bilden.

Solidarität und Hilfsbereitschaft gilt viel im Revier.

(Dieser mittlerweile geänderte Text erschien ursprünglich im Buch „Bochum entdecken“ als Vorwort der Herausgeber Axel Schäfer, Norbert Konegen und Hans H. Hanke)


Bochumer Fakten

Bochum liegt im Zentrum der Metropole Ruhr, genau 7 Grad 13 Minuten 34 Sekunden östlicher Länge und 51 Grad 28 Minuten 21 Sekunden nördlicher Breite.

Höchster Punkt ist mit 196 m die Kemnader Straße 302a, niedrigster mit 43 m die Unterführung „Am Blumenkamp“. Das Stadtgebiet hat eine Fläche von 145,4 km2, die größte Ausdehnung beträgt 13,0 km Nord-Süd und 17,1 km Ost-West. Von den 373.808 Einwohnerinnen und Einwohnern sind 193.563 Frauen und 180.245 Männer, die Bevölkerungsdichte beträgt 2.628 Einwohner je km2. (Stand 2007)

Bedeutende Unternehmen und Behörden wie Knappschaft-Bahn-See, die Deutsche BP/ARAL, die Wohnungsgesellschaft VONOVIA, die GLS-Bank und die Bergbau-Berufsgenossenschaft haben ihren Sitz in Bochum. Das Landgericht, der regionale DGB und die Industrie- und Handelskammer mittleres Ruhrgebiet sowie die Kreispolizeibehörde unterstreichen die Stellung Bochums im und für das Revier.

Mit acht Hochschulen und 57.000 Studierenden, 35 Theatereinrichtungen sowie 17 Museen ist die Stadt eine kulturelle Metropole in Nordrhein-Westfalen. 81.888 Mitglieder in 350 Vereinen, 60 Sportplatzanlagen und zwei Stadien (Rewirpower für Fußball, Lohrheide auch für Leichtathletik) sowie ein Olympia-Stützpunkt machen Bochum zur Sportstadt. Im grünen Bereich sind die 80 Kleingartenanlagen mit 5.595 Parzellen landesweit ein Spitzenwert.  Partnerschaftliche Verbindungen bestehen mit Sheffield (Großbritannien), Oviedo (Spanien), Donezk (Ukraine), und Nordhausen (Thüringen). Darüber hinaus gibt es europäische Projekte an Schulen und Hochschulen mit weiteren 20 Ländern.

In Bochum arbeiten 126.054 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die Arbeitslosenquote beträgt 9,6 Prozent. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat mehr als 50.000 Mitglieder.


Geschichtlicher Überblick

800

In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts wird am Schnittpunkt zweier Handelsstraßen Bochum als Königshof gegründet.

1041

Erste urkundliche Erwähnung unter dem Namen Cofbuokheim in einem Dokument der Kölner Erzbischöfe.

1321

Graf Engelbert II. von der Mark bestätigt die Stadtrechte.

1517

Eine Brandkatastrophe verwüstet Kommune und Kirche.

1735

Bereits 35 „Kohlenpütts“ werden im hiesigen Amte gezählt.

1816

Kreisstadt in der Preußischen Provinz Westfalen und Mittelpunkt des neu gebildeten Landkreises.

1850

Jacob Mayer, Gründer des Stahlunternehmens „Bochumer Verein“, erfindet das Verfahren zum Stahlformguss.

1890

Mit dem „Bergmannsheil“ entsteht das erste Unfallkrankenhaus der Welt.

1904

Nach der Eingemeindung umliegender kleinerer Ortschaften wird die Stadt zur Großstadt mit fast 117.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

1906

Vor Ort gibt es 22.844 Bergarbeiter; sie fördern über fünf Millionen Tonnen Kohle.

1919

Gründung des Stadttheaters und der Symphoniker

1929

Durch weitere Eingemeindungen steigt die Zahl der Bürgerinnen und Bürger auf 321.146.

1933 bis 1945

„Gauhauptstadt“ der Nazis während des Dritten Reiches.

1945

Am 10. April besetzen amerikanische Truppen die Stadt. Am 12. April übernehmen die Briten die Besatzungsverwaltung.

1946

Bei der ersten Kommunalwahl nach dem 2. Weltkrieg wird die SPD stärkste Kraft.

1948

Als erste Großstadt in NRW wird der Plan zum Wiederaufbau der zu 90% zerstörten Innenstadt am 1. Oktober beschlossen. Der Plan gilt weithin als vorbildlich und wird bis 1957 umgesetzt.

1949

Veranstaltung des deutschen Katholikentages.

1961

Die Adam Opel AG beginnt mit dem Bau von Automobilwerken in unserer Stadt. Nach dem Zechensterben kann somit ein großer Teil der verlorengegangenen Arbeitsplätze vor Ort kompensiert werden.

1965

Die Ruhr-Universität Bochum nimmt – als erste Hochschule im Ruhrgebiet – den Lehrbetrieb auf.

1973

Die letzte von 17 nach 1945 arbeitenden Großschachtanlagen wird geschlossen.

1975

Im Zuge der kommunalen Neugliederung in Nordrhein-Westfalen erfolgt der Zusammenschluss mit Wattenscheid zur „neuen“ Stadt Bochum.

1979

Das Ruhrstadion, heute Rewirpower-Stadion, wird eröffnet.

1980

Mit dem „Kemnader See“ entsteht ein großes Freizeitzentrum an der Ruhr.

1988

Das Musical „Starlight-Express“ nimmt seine Fahrten in einer speziell für dieses Stück gebauten Halle auf. (Bis heute sind die Rollschuhkünstlerinnen und Rollschuhkünstler dort zu sehen – das ist Weltrekord.)

1989

Die erste unterirdische Verbindung zwischen zwei Städten in Deutschland, Bochum – Herne, wird mit der neuen U35 fertig gestellt.

1990

Bochum ist gemeinsam mit Dortmund Austragungsort des ersten gesamtdeutschen Turnfestes nach dem Zweiten Weltkrieg, mit ca. 120.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die „Ruhrwelle Bochum“ – jetzt 98,5 Radio Bochum – geht „on air“.

1991

Zum Ruhrgebiets-Kirchentag (Bochum, Dortmund, Essen) kommen aus ganz Deutschland ca. 105.000 evangelische Christen.

1993

Zusammenschluss mit Hattingen, Herne und Witten zur „Region Mittleres Ruhrgebiet“.

1994

Die Bochumer Symphoniker und das Schauspielhaus feiern ihr 75jähriges Bestehen.

2008

Anlässlich des 1000jährigen Jubiläums der Stiepeler Dorfkirche erscheint erstmals eine Sondermarke mit hiesigem Motiv.

2010

Das Ruhrgebiet wird europäische Kulturhauptstadt – und Bochum ist führend mit dabei.

2015

Bochum hat 58.000 Studierende und nimmt damit deutschlandweit einen Spitzenplatz ein.

2021

Die Stadt Bochum feiert die 700-Jähriges mit mehreren Festaktivitäten im gesamten Stadtgebiet.