Der englische Kapitän und Polarforscher John Franklin, der wegen seiner Langsamkeit immer wieder Schwierigkeiten hat, mit der Schnelllebigkeit seiner Zeit Schritt zu halten, aber schließlich doch aufgrund seiner Beharrlichkeit zu einem großen Entdecker wird, ist die Hauptfigur im 1983 erschienenen Romans „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny. Eben diese hat auch Axel Schäfer bei seinem 16. Betriebspraktikum kennengelernt, denn der Bundestagsabgeordnete hospitierte in diesem Jahr in der Werkstatt Constantin-Bewatt, und in den dortigen Behinderten-Werkstätten traf er auf viele Menschen, die von Natur aus der Langsamkeit verpflichtet sind. „Für mich als Schnellsprecher und Mensch, der viele Dinge mit einem gewissen Tempo angeht, war das ein gutes Umfeld, um etwas herunterzufahren, sich zu disziplinieren und alles etwas langsamer anzugehen.“
Eine Woche tauschte Axel Schäfer den feinen Politikeranzug gegen adäquate Werkstattkleidung, war wieder einmal „mittendrin, statt nur dabei“ und hat kräftig mit angepackt: Bei sommerlichen 30 Grad schwitzte er bei der Garten- und Landschaftspflege. „Und das ist schon etwas anderes als wenn man im eigenen, kleinen Garten zu Hause werkelt“, stellte der Parlamentarier fest. Er half in der Wäscherei, schraubte in der Montage der Metallverarbeitung und verschaffte sich einen Eindruck vom CAP-Supermarkt in Laer, in dem Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten. „Die Atmosphäre hier hat mir sehr gut gefallen. Man merkte den Beschäftigten an, dass sie sich mit der Arbeit vor Ort identifizieren.“
So fügte sich ein Bild von der alltäglichen Arbeit und dem Unternehmen zusammen, das durch die vielen Gespräche mit den Menschen vor Ort, den Blick für die Probleme für behinderte Menschen schärfte. „Ich bekomme bei einem einwöchigen Praktikum ganz andere Eindrücke, als eine einem zweistündigen Betriebsbesuch. Durch den direkten Kontakt vertiefen sich die Informationen und ich lerne viel mehr vom echten Leben und Arbeitsleben“, so Axel Schäfer. Mehr über die Probleme erfuhr der Abgeordnete in den Treffen mit den Werkstatträten, auf dessen Einladung der SPD-Politiker im übrigen zu seiner 16. Praktikumsstelle gekommen ist. Erstmals hatte er sich diese nicht selbst ausgesucht. Werkstattrat Bernd Brämer hatte den Parlamentarier kurzerhand eingeladen. „Ich fand es wichtig, dass er einen Eindruck davon bekommt, wie Menschen mit Behinderung fühlen und welche Förderung sie brauchen“, erklärt Brämer. „Zwar kann man innerhalb einer Woche nicht alles abdecken, aber wir haben offene Ohren gefunden.“ In den Diskussionen ging es vorrangig um die Entlohnung und darum, wie die Integration in den ersten Arbeitsmarkt gelingen kann, nachdem diverse Programme zur Unterstützung zurückgefahren worden sind.
Neben den zahlreichen Infos und Eindrücken, die Schäfer in dieser Zeit gesammelt hat, war es vor allem die menschliche Seite, die in beeindruckte. „Ich bin hier unglaublich herzlich aufgenommen worden. Das Vertrauen, das mit entgegengebracht wurde, war riesig. Nachhaltigen Eindruck hat bei mir zudem hinterlassen, wie groß die Bandbreite der Beschäftigten ist, die vom mehrfach Schwerstbehinderten bis zum qualifizierten Facharbeite reicht.“
Gefreut hat den Besuch von Axel Schäfer auch den Geschäftsführer der Werkstatt Constantin-Bewatt, Eckhard Sundermann: „Das war für uns schon eine besondere Würdigung, dass ein Bundestagsabgeordneter hier sein Praktikum absolviert. Dadurch rückt ein ansonsten eher randständiges Thema etwas mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und des Interesses.“ Zumal die Rolle der Werkstatt im Zuge der Inklusionsdebatte nicht einfach ist. „Wir verspüren einen gewissen Druck, weil wir wie jede Firma auf Aufträge angewiesen sind. 80 Prozent unserer Beschäftigten haben absehbar keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Wir bemühen uns für die Menschen um Außenarbeitsplätze, brauchen aber auch weiter Unterstützung für die, die nicht woanders unterkommen können.“ Und er erhielt Rückendeckung seitens des Abgeordneten: „Einige, die ich getroffen habe, haben sicher eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt, wenn sie die nötige Unterstützung erfahren. Inklusion heißt zwar nicht, dass sich alle Probleme in Wohlgefallen auflösen. Aber einiges wird sich für die Menschen dadurch verbessern.“
Als Konsequenz aus seinem Besuch in der Werkstatt Constantin-Bewatt plant Axel Schäfer gemeinsam mit der Behindertenbeauftragten der SPD, Silvia Schmidt, im kommenden Jahr eine Veranstaltung in Bochum, die sich mit Inklusion beschäftigt. Dabei soll der Blick auch über den Tellerrand hinaus in andere Länder Europas gehen.