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„Ziel ist ein soziales Europa“

Rede von Axel Schäfer am Freitag, 17. Januar, im Deutschen Bundestag zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission:

„Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 25. Mai 2014 wird das Europäische Parlament direkt gewählt. Als Ergebnis dieser Wahl wird der Präsident der EU-Kommission ins Amt gebracht. Das ist eine historische Entscheidung. Deshalb wird das eine historische Wahl sein. Es ist gut, dass wir uns alle darauf vorbereiten. Ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus für die Bereitschaft, aus Respekt vor dieser Wahl und auch aus Respekt vor dem Europäischen Parlament unsere eigene Sitzungswoche im Mai zu verschieben, damit auch wir als Abgeordnete zeigen können, wie wichtig uns dieser Tag ist und dass wir uns an den Wahlkämpfen unserer Parteien beteiligen wollen.
An 25. Mai finden in Deutschland – das gab es nie zuvor – Kommunalwahlen in insgesamt zehn Ländern statt. Auch da wollen wir deutlich machen – unabhängig von den Inhalten und auch den Verschiedenheiten, die es hier im Haus gibt –, dass Europa vor Ort beginnt und dass wir dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Die SPD hat sich vorgenommen, Europa zu verbessern.
Wir tun das nach der Melodie zur Kinderhymne von Bert Brecht:
Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s.
Und das Liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.
Das gilt genauso für Europa; so wollen wir es halten.
Die Europäische Kommission hat jetzt ein Arbeitsprogramm vorgelegt, über das wir diskutieren. Es ist eine gute Tradition und es ist auch eine Notwendigkeit, dass wir abgleichen, was unsere Politik sein soll – für uns ist das natürlich im Koalitionsvertrag festgehalten – und was wir gegenüber der Bundesregierung dabei an Kontrollrechten in der Umsetzung nutzen. Gleichzeitig ist zu klären, wo wir uns als Parlamentarier rechtlich zur Kooperation mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament verpflichten. Es ist gut, dass wir Parlamentarier aus diesem Hause direkt am Montag damit anfangen, nach Art. 13 des Fiskalpakts gemeinsam mit Parlamentarierkollegen aus Brüssel an diesem Europa zu arbeiten.
Wir werden das auf der Grundlage der Übereinstimmung in Sachfragen tun, was in diesem Haus selten vorkommt. Dieses Haus – in der letzten Legislaturperiode gab es hier fünf Fraktionen, jetzt sind es vier – hat es geschafft, die Rechte des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung in einer gemeinsamen Anstrengung, verbunden mit einem Kompromiss im Rahmen von Begleitgesetzen wie dem EUZBBG, zu regeln. Das sollten wir gemeinsam nutzen, egal wer aktuell die Regierungs- oder die Oppositionsrolle innehat.
Bezogen auf das Arbeitsprogramm der Kommission heißt das konkret: Ja, wir wollen darauf drängen, dass dieses Programm auf Ausbildung und Beschäftigung, auf Qualifikation und Weiterbildung ausgerichtet wird. Das muss im Mittelpunkt stehen. Ziel ist ein soziales Europa der Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer und der Chancen für die Jugend. Das ist unser Anliegen als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Deshalb haben wir uns in diesem Koalitionsvertrag eine ganz konkrete Selbstverpflichtung auferlegt. Sie lautet: Wir wollen ein deutsch-griechisches Jugendwerk nach dem Vorbild des Deutsch-Französischen und des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes schaffen. Das ist wirklich eine Innovation. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie mit uns alle Anstrengungen für eine zügige Umsetzung unternimmt. Hier wird ein praktisches Zeichen von Solidarität gesetzt und nicht nur darüber geredet. Das ist unser gemeinsames Interesse.
Wir müssen das im kritischen Bewusstsein dessen tun, was erreicht und was nicht erreicht worden ist. Es ist erreicht worden, dass mit Lettland das 18. Land Mitglied der Euro-Zone geworden ist. Das ist deshalb so wichtig, weil noch vor einigen Jahren viele Menschen behauptet haben, dass am 31. Dezember 2011, 2012 oder 2013 die Euro-Zone zusammenbrechen werde, dass das keine Zukunft habe, dass wir zu nationalen Währungen zurückkommen würden. Wir praktizieren das Gegenteil, indem wir Europa tatsächlich zu einer Währungsgemeinschaft ausbauen. Diese funktioniert aber nur, wenn dieses Europa gleichzeitig eine Sozialgemeinschaft wird – von der Sache her, aber auch durch die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger.
Deshalb ist es so wichtig, dass sich jetzt alle Parteienfamilien für die Europawahl aufstellen. Ich finde es gut, dass die Grünen europaweit im Rahmen von Onlineabstimmungen etwas ganz Neues ausprobieren und dabei natürlich auch die Mühen der Ebene erleben. Ich finde es auch richtig, dass die Mühen auf höherer Ebene bei der Suche der EVP nach einem Spitzenkandidaten bzw. einer Spitzenkandidatin fortgesetzt werden. Das dokumentiert: Wir rücken davon ab, dass das Europäische Parlament letztendlich nur dem zustimmt, was die Staats- und Regierungschefs entschieden haben, und kommen dahin, dass das Europäische Parlament aus seiner Mitte aufgrund des Wahlergebnisses den Kommissionspräsidenten wählt. Wir Sozialdemokraten haben das ja bekanntlich vorgemacht.
Die Kolleginnen und Kollegen von der Linken haben jetzt einen Programmentwurf vorgelegt. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht …
Für alle, die es schon vergessen haben: In dem zentralen Reformvertrag von Maastricht wurden 1992 nicht nur die Chancen für ein sozialeres Europa mit aufgenommen, sondern wir haben es erstmals in der modernen Staatsgeschichte geschafft – das ist nämlich Demokratie –,dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger auf kommunaler Ebene, egal ob sie aus Griechenland, Portugal, Spanien oder Frankreich stammen – jetzt muss man noch hinzufügen: Polen und Tschechien –, wählen und gewählt werden können. Das gibt es nirgendwo auf der Welt. Darauf sind wir gemeinsam stolz, und das praktizieren wir auch.
Als Gewerkschafter sage ich: Wir haben 1994 mit den Europäischen Betriebsräten etwas erreicht, was Gewerkschaften immer gefordert haben, nämlich den multinationalen Konzernen einen Machtfaktor der gewählten Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertreter entgegenzusetzen. Das war nur in Europa möglich.
Dass das natürlich weiter verbessert werden muss, ist klar. Aber wir entscheiden bei Europa nicht über die Institution; wir entscheiden bei Europa darüber, wie viel eher linke oder eher konservative Politik es gibt. Dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diese nach links führen wollen, ist selbstverständlich. Darum werden wir uns auch bemühen.
Im Koalitionsvertrag steht zu Recht: Die wichtigste Aufgabe deutscher Politik bleibt das europäische Eini-gungswerk.
Wir leisten auch hier einen ganz praktischen Beitrag. Kollege Strobl und ich sind uns einig – ich glaube, für die Kolleginnen und Kollegen von Grünen und Linkspartei gilt das auch –: Wir wollen nach der Europawahl den von Deutschland vorzuschlagenden Kandidaten für den Kommissar wieder im Europaausschuss oder im Bundestag öffentlich anhören. Wir haben es mit Günther Oettinger so gemacht; das war ein großer Erfolg. Ich hoffe, wir werden es mit Martin Schulz so machen, weil es Zeit ist, dass wir nach dem Christdemokraten Walter Hallstein wieder einen deutschen Kommissionspräsidenten, den Sozialdemokraten Martin Schulz, bekommen. Das wäre gut für unser Land. Das wäre gut für die Europäische Union.
Glück auf!