Rede von Axel Schäfer am Mittwoch, 26. Februar, im Deutschen Bundestag zur Abgeordnetenentschädigung:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. März 2013 hat uns eine unabhängige Kommission ihre Empfehlungen bezüglich der Stellung der Abgeordneten, ihrer Bezüge und ihrer Versorgung vorgelegt. Heute entscheiden wir über eine Reihe von Gesetzesänderungen. Das ist wichtig, und das ist richtig so, dass wir das heute gemeinsam tun.
Es gibt drei Fragen, die wir beantworten müssen.
Die erste Frage ist: Stimmen die Proportionen noch? Die heutige Situation ist so, dass das Verhältnis zwischen dem Einkommen eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers, einer Arbeitnehmerin und den Bezügen der Abgeordneten etwa 1:3 beträgt. Ich glaube, das Verhältnis ist völlig in Ordnung. Das war auch in der gesamten Zeit so, seit Abgeordneter im Bundestag als Vollzeitberuf eingeordnet wird. Das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Einkommen eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers in Deutschland und dem eines Konzernchefs dagegen hat sich in dieser Zeit nicht von 1:3; es betrug einmal 1:30 zu 1:300 entwickelt. Da sind die Verhältnisse auseinandergelaufen.
Das ist schlecht für diese Gesellschaft. Deshalb ist es richtig, dass wir bei diesen Proportionen bleiben.
Ich habe für mich persönlich auch einen Maßstab. Der hat nichts mit Richtern zu tun, sondern mit dem Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt. Ich kenne einen. Der heißt auch Schäfer, Roland Schäfer, Bergkamen.
Mit dem habe ich gestern noch einmal telefoniert und habe ihn gefragt: Was hältst du eigentlich davon, wie wir es machen? Er hat gesagt: „Völlig in Ordnung. Es gibt einen Unterschied zwischen euch und uns. Bei uns Bürgermeistern ist es so, dass wir für alles verantwortlich gemacht werden, was in der Verwaltung schiefläuft, aber nicht für unser Gehalt. Das wird im Landtag festgelegt. Ihr habt andere Verhältnisse, aber ihr habt auch 100.000 Bürgerinnen und Bürger in euren Wahlkreisen.“
Bei 62 Millionen Wählerinnen und Wählern und 631 Abgeordneten kommt man insgesamt so etwa auf ein Verhältnis von 1:100.000. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu streiten.
Die zweite Frage – ich bin ja froh, dass es bei so einer Debatte auch noch Erheiterung gibt – ist: Ist der Bundestag lernfähig? Dazu ist in keiner öffentlichen Diskussion etwas gesagt worden. Wir haben seit 1977 hier 14 Nullrunden beschlossen. Wir haben seit 1977 eine Reihe von Schritten unternommen, um die Altersversorgung abzusenken. Nachdem wir 1990 erfreulicherweise die Deutsche Einheit hatten, haben wir zehn Jahre später den Bundestag in seiner Größe um 10 Prozent der Abgeordneten reduziert. Auch das hat etwas mit der Geschichte dieses Parlaments, mit seiner Zusammensetzung, seinen Abgeordneten und dem, was hier ansteht, zu tun. Wir haben auch von uns aus bereits Reduzierungen vorgenommen. Darüber muss man einmal öffentlich reden. Ich sage: Wo, wenn nicht hier in diesem Hause?
Ich komme zu meiner dritten Frage: Sind wir damit zukunftsfähig? Generationen von Abgeordneten haben hier in diesem Haus versucht, eine Lösung zu finden. Das ist trotz vieler Bemühungen irgendwie dann doch immer nicht überzeugend und auf Dauer gelungen. Ich bin der Meinung: Jetzt haben wir die Chance dazu und sollten diese auch nutzen.
Mein Sohn ist Jahrgang 1980, meine Schwiegertochter ist Jahrgang 1982. Ich habe mir einmal angeschaut, wer aus dieser Generation hier im Parlament sitzt: Das sind zum Beispiel Niema Movassat, Katrin Albsteiger, Manuel Sarrazin und aus unserer Fraktion Christina Kampmann. Wollen wir ihnen wirklich zumuten, dass sie die nächsten 20 Jahre solche Diskussionen führen müssen? Es wäre doch besser, sagen zu können: Wir haben uns auf etwas verständigt, das tragbar ist, und zwar darauf, dass sich die Bezüge in den nächsten Jahren am Einkommen eines Bürgermeisters einer mittelgroßen Stadt orientieren. Das ist doch völlig in Ordnung. Ich wollte das insbesondere in Bezug auf diese Generation einmal erwähnen.
Ich bin Jahrgang 1952. Im Unterschied zu meiner Generation hat diese Generation ein paar andere Probleme zu lösen. Das Hauptproblem dieser Generation wird sein, dass es in dieser Gesellschaft weniger Menschen geben wird, die bereit sind, sich dauerhaft in Gewerkschaften, Vereinen, Kirchen oder Initiativen zu engagieren.
Die Art und Weise, in der wir hier über unsere Bezüge diskutieren, stellt eine Form von Beschämung und Beschädigung von Politik dar. Wir müssen zu einer klaren Regelung kommen. Die Chance dazu haben wir heute, und diese sollten wir wahrnehmen. Wir sollten sie auch mit einer gewissen Haltung wahrnehmen. Wir können das machen, weil wir die außergewöhnliche Freiheit haben, zu gestalten, und weil wir uns gleichzeitig eine Selbstverpflichtung auferlegt haben.
Wir können auch selbstbewusst an die Sache herangehen. Denn wir alle, egal in welcher Partei wir sind, arbeiten ziemlich viel. Sechs oder sieben Tage die Woche hat die Politik für uns Priorität. Das können wir nicht ewig, sondern nur für eine bestimmte Zeit machen. Im Durchschnitt sind das hier in diesem Hause zehn Jahre. Was wir damit an Bezügen auf der einen Seite und an Altersabsicherung auf der anderen Seite haben, entspricht diesen Realitäten und vor allen Dingen auch diesen Relationen.
Ich fände es gut, wenn wir in diesem Haus zu einer großen Übereinstimmung kämen. Wir müssen uns wegen unserer Entscheidungen nirgendwo verstecken. Das muss das Selbstverständnis dieses Parlaments sein. Wir können heute etwas vorlegen, das tragfähig ist. Deshalb werbe ich dafür, dass wir das heute gemäß den entsprechenden Empfehlungen der unabhängigen Kommission auf den Weg bringen und zu einer Entscheidung kommen.
Vielen Dank.