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„Es gilt, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zu stärken. – Das ist Europa.“

Rede von Axel Schäfer am Mttwoch, 27. November, im Deutschen Bundestag zu den Beratungen zum Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Charme der entwicklungspolitischen Diskussion besteht darin, dass wir hier sehr oft nicht das klassische Opposition/Regierung-Muster anwenden: Die Regierungsparteien loben aus Überzeugung oder pflichtschuldig das Handeln der Regierung, und die Oppositionsparteien kritisieren das genauso pflichtschuldig. – Das ist in dieser Debatte nicht so. Es gibt ganz vieles, was differenziert dargestellt worden ist. Es ist auch gegenseitig Wertschätzung zum Ausdruck gebracht worden. Das ist bedeutend für dieses Thema, das uns allen, die wir hier sitzen, am Herzen liegt und für das wir in unseren eigenen Parteien noch nicht die Zustimmung haben, die wir eigentlich gern hätten und die wir auch bräuchten. Insofern ist das, glaube ich, für jede Fraktion hilfreich.
Diese Debatte muss immer selbstbewusst und selbstkritisch geführt werden. Es gilt, selbstbewusst zu sagen: Jawohl, wir haben es in Richtung Millenniumsziele, gerade bei der Armutsbekämpfung, bei dem allerschlimmsten Problem, einige Schritte voran geschafft. Auf der anderen Seite muss man aber auch ehrlich sagen: 0,7 Prozent ist die angestrebte ODA-Quote. Wir sind bei 0,38 Prozent. Das heißt, eigentlich ist eine Verdopplung der Anstrengungen notwendig. Wenn es um eine Verdopplung von Anstrengungen geht, gilt es – auf Neudeutsch –, Synergien zu heben. Praktisch gesagt: Es gilt, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zu stärken. – Das ist Europa.

Wir haben 2015 das Europäische Jahr der Entwicklung. Das ist für das, was wir wollen, genau passend. Natürlich passt es, dass der Entwicklungsminister auch Mitglied des Europäischen Parlaments war. Er hat da schon den entsprechenden Rückenwind. Das trifft natürlich auch auf Claudia Roth, Frithjof Schmidt, Anja Weisgerber und manch andere zu. Wir, die Abgeordneten aller Fraktionen in diesem Haus, stehen zu unserer Verantwortung; denn die Vertreter der vier entsprechenden Fraktionen – Christdemokraten, Grüne, auch Linke, Sozialdemokraten sowieso – sowie der Liberalen im Europäischen Parlament haben dafür gesorgt, dass der Regierungschef, also der Kommissionspräsident, erstmals vom Europäischen Parlament gewählt worden ist. Ohne die Haltung dieser fünf Fraktionen, die gesagt haben: „Wir nehmen nur einen, der auch bei der Wahl angetreten ist“, hätten wir diese Kommission nicht bekommen – egal wie man hinterher manche Entwicklung in der Kommission sieht. Die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament ist ein ganz wichtiger Fortschritt im Hinblick auf das, was wir 2015 machen wollen. Wir brauchen nämlich auch 2015 einen Entwicklungskommissar – wir kennen Neven Mimica aus Kroatien gut; er war auch schon öfter bei uns –, der etwas von der Sache versteht, der überzeugter Europäer ist und den wir gewinnen können, auch für das wichtigste Anliegen, die europäische Entwicklungszusammenarbeit effektiver zu gestalten. Wir müssen sagen: Jawohl, wenn wir, die EU-Staaten, schon insgesamt 60 Prozent der Gebermittel weltweit aufbringen, dann müssen wir auch schauen, wie wir die Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam besser voranbringen, wie wir sie politisch wichtiger machen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Entwicklungszusammenarbeit in der Außenpolitik berücksichtigt wird – auch die neue Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik, Frau Mogherini, ist sehr engagiert und von europäischen Erfahrungen geprägt –, damit es da wirk lich in dieselbe Richtung geht. Ich glaube, das sollten wir als Bundestag mit Diskussionen hier vor Ort, aber auch in Zusammenarbeit mit unseren Vertretern in der Kommission voranbringen; die Kommission ist ja keine Vertretung der nationalen Interessen von Deutschen, Italienern oder auch Kroaten, sondern die gemeinsame europäische Regierung. Dies wird, glaube ich, ganz wichtig sein. Die Inhalte, um die es für uns Deutsche als Teil dieser Europäischen Union gehen wird, bedeuten ganz praktisch: Wir müssen beim Thema Klimawandel mehr machen; die Frage der Armutsbekämpfung muss bei uns tatsächlich im Zentrum stehen; die Mittel der Europäischen Union für Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen müssen aufwachsen. All das sind wichtige Dinge. Das alles Zusammenspannende ist aber letztendlich, dass wir dies als Gemeinschaft des Friedens tun. Man muss immer wieder darauf hinweisen: Wir in der Europäischen Union sind eine Friedensgemeinschaft. Man muss auch immer wiederholen: Es ist gut, dass alle 631 Abgeordneten des Deutschen Bundestages – mit ganz unterschiedlichen Überzeugungen und auch Parteizugehörigkeiten – keine militärische Lösung von Konflikten wollen; wir haben es gerade im Zusammenhang mit der Ukraine-Problematik erlebt. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, dass wir Entwicklungszusammenarbeit mit einer bestimmten Haltung betreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht auch um ganz praktische Fragen. Zwei herausragende Punkte: Der erste Punkt: die Finanztransaktionsteuer. Warum ist sie so herausragend für uns? Die Steuer wurde einmal als Tobin Tax erfunden und auf den Weg gebracht, wurde von vielen verlacht und war in der Politik – Stichwort Mehrheitsfähigkeit – nur ganz schwer zu vermitteln. Wir haben aus dem Deutschen Bundestag heraus mit der deutsch-französischen Initiative von Sozialdemokraten und Sozialisten einen wichtigen Schritt getan. Es gehört auch zur schwierigen Wahrheit, dass es, als die Sozialisten an der Regierung waren, nicht mehr so einfach war, das Vorhaben so voranzubringen, wie wir es erwartet haben – mit der gleichen Begeisterung, mit der wir es einmal beschlossen haben. Auch das gehört zu einer selbstkritischen Einschätzung. Vielleicht ist das auch für manche Vertreter anderer Fraktionen hier im Haus eine Anregung, auch mal etwas Selbstkritisches zu sagen; zum Beispiel machen die Christdemokraten in Ungarn etwas, was wir hier in diesem Hause bekanntlich mehrheitlich nicht teilen. Der zweite Punkt – da sind wir wieder beim Kollegen Müller –: Textilsiegel. Das ist eine ganz wichtige, zentrale Initiative. Wir werden es – das wissen Sie, Kollege Minister, lieber Gerd – letztendlich nur mit europäischen Gesetzen durchsetzen können. Darauf wird es ankommen; es wird darauf ankommen, dass es in einem Dialog unseres Parlaments mit dem EP gelingt. Das heißt im Dialog der einzelnen Fraktionen, die hier sind, und der Fraktionen, die im Europäischen Parlament sind; er muss wirklich vorangebracht und intensiviert werden. Eine Intensivierung im Jahr 2015 heißt auch, die entwicklungspolitischen Diskussionen zu verstärken. Man könnte es auch ganz salopp so formulieren – leider ist der Kollege Klimke, den ich gerade ansprechen wollte, schon gegangen –: Leute wie der Kollege Klimke oder ich haben diese Themen schon als Mitglieder der Jungen Union bzw. der Jusos in den 70er-Jahren debattiert.

Heute können wir die Diskussion, zum Beispiel mit den Kollegen Sarrazin oder Leutert, die Anfang der 70erJahre noch gar nicht auf der Welt waren, hier im Parlament zusammenführen. Damals gab es die sehr große Eine-Welt-Bewegung. Die Entwicklungspolitik hatte damals einen enormen Stellenwert. Obwohl die Probleme zum Teil größer geworden sind, stehen für die Entwicklungshilfe 0,38 Prozent statt 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zur Verfügung, weshalb wir nicht immer das umsetzen konnten, was wir umsetzen wollten. Das betrifft allerdings alle Parteien. Es ist nicht so, dass die Regierung zu wenig macht und die Opposition alles besser weiß; dem ist nicht so. Deshalb möchte ich Sie, euch alle bitten: Lasst uns in unseren Fraktionen und auch in unseren Parteien und aus unseren Parteien heraus darauf hinwirken, das Thema Entwicklungshilfe im Jahr 2015 zu einem zentralen Thema zu machen. Bei manchen gibt es heute eine grö- ßere Bereitschaft, zu diskutieren, als früher. Es ist nicht so, dass sich die Menschen dagegen wehren, dass Flüchtlinge aufgenommen werden, wie es die Bilder in den Medien manchmal suggerieren. Es gibt viel mehr gute Beispiele für Solidarität, Unterstützung und Mitmenschlichkeit, aber – ich kenne das von der Situation bei mir vor Ort – darüber redet man nicht. Es sollte in der Berichterstattung aber eine zentrale Rolle spielen; denn die Fernsehbilder zeigen etwas ganz anderes. Wir müssen die vorhandene Fremdenfeindlichkeit gemeinsam bekämpfen und die guten Beispiele ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Lasst uns das bei aller Unterschiedlichkeit und trotz aller kritischen Anmerkungen, die durchaus ihre Berechtigung haben mögen, für 2015 vornehmen. Wir haben nur diese eine Welt. Es darf unterschiedliche Konzepte geben, aber sie sollten in eine gemeinsame solidarische Richtung gehen.

Vielen Dank.